Das Kunstlied der Romantik und Spätromantik steht nach wie vor ganz hoch im Kurs. Bedeutende Vertreter sind Franz Schubert, Hugo Wolf, Carl Loewe, Hans Pfitzner, Erich Wolfgang Korngold oder Othmar Schoeck. Dazu gehören auch Robert Schumann, Johannes Brahms und Richard Strauss, die großartige Werke dieser Gattung schufen. Diesen drei Komponisten ist das letzte Konzert der Reihe „Liedertal“ vor der Sommerpause in der Historischen Stadthalle gewidmet, zu dem wegen der Fußball-Europameisterschaft (zeitgleich spielt die Deutsche Nationalmannschaft) nur ein sehr überschaubares Publikum erschienen ist. Zu Gast sind Bariton Paul Armin Edelmann und die Liedbegleiterin Bernadette Bartos, die eine gehaltvolle Auswahl aus deren umfangreichem Oeuvre präsentieren.
Schumann schrieb knapp 300 Lieder. Bedeutend sind gerade seine Zyklen, der „Liederkreis“ op. 39 und die Kerner-Lieder op. 35. Mit im Gepäck hat daraus das Duo die inhaltsreiche sechszehnteilige „Dichterliebe“ op. 48. Brahms komponierte über 200 Werke dieser Gattung. Fünf von ihnen aus den Opuszahlen 27, 43, 59, 84 und 105 hat es ebenfalls dabei. Des Weiteren liegen sechs der 220 Stücke aus der Feder von Richard Strauss auf dem Notenpult des Flügels.
Kunstform Liedgesang
Dietrich Fischer-Dieskau, 2012 gestorben, leistete auf dem Gebiet des Liedgesangs Pionierarbeit, indem er das Kunstlied auf ein ernst zu nehmendes professionelles Niveau hob. Seitdem ist nicht mehr der reine Operngesang mit seinen Vokalisen en vogue. Wichtig ist Textverständlichkeit, das Nachzeichnen der Inhalte, das Changieren zwischen Charakteren und Emotionen. Unabdingbares Rüstzeug dafür sind neben einem kompetenten Gefühl für Musikstile, nuancierte Phrasierungen oder eine variable dynamische Stimme in allen Registern. Etwa sollten laute und leise Passagen und umgekehrt subito, also sofort, bruchlos fließend wechseln. Mittlerweile wird an Musikhochschulen neben dem Studium des reinen Operngesangs nicht von ungefähr auch das Fach Lied- und Konzertgesang angeboten.
Unüberhörbar verfügt Edelmann über einen profunden, tragfähigen Opernbariton, der musikalisch-melodische Linien mit einer sauberen Betonung der Vokale gestaltet, kräftig-markant im Forte, ausgewogen-voll im Piano. Mit dieser Technik beeindruckt er sicher auf Bühnen in Musiktheatern. Doch im Konzertfach ist das Eintauchen in den Gesangstext und der klaren Darlegung seiner reichhaltigen Inhalte genauso wichtig. Etwa kommen an diesem Abend nicht immer deutlich vorgetragene Konsonanzen über die Bühne. Beispielweise hören sich die ersten Worte „Mach auf, mach auf!“ des Strauss-Lieds „Ständchen“ an wie „achauw, achauw“. Generell präsentiert er die in der Musik liegenden Emotionen nachvollziehbar. Doch die dazu gehöremden Geschichten im Text mit gleichwertigem Gewicht verblassen unter anderem qua mangelnder Artikulation.
Zornige Klänge
Schumanns „Dichterliebe“ ist ein Paradebeispiel für seine ehrliche Auffassung von Wahrhaftigkeit. Die Authentizität von Gefühlen ohne künstlich stilisierte Affekte hat er auf unnachahmliche Art zu Papier gebracht. In den Vertonungen der sechzehn Gedichte stecken schwärmerisches Liebesglück wie auch Schmerz, Verzweiflung, Melancholie. Sämtliche Höhen einer unglücklichen Liebe werden durchlebt. Der Komponist schreibt außerdem komplex. In Nummer Sieben „Ich grolle nicht“ poltert es im Text. Dazu übertreibt Schumann mit gewaltig zornigen Klängen so, als hätte er an den ernst gemeinten Worten der Dichtung von Heinrich Heine einiges auszusetzen. Aus Groll wird Verzweiflung. Dieser vielschichtige Gehalt hier wie auch bei den anderen Programmpunkten kommt folglich aus bereits erwähnten Gründen nicht plausibel von der Bühne.
Dabei stellt sich Bartos als eine professionelle Pianistin vor, die Edelmann sehr sensibel und mitatmend begleite und ihre Solopassagen differenziert vorträgt. Für den herzlichen Schlussapplaus bedankt sich das Duo als Zugabe mit dem Richard-Strauss-Lied „Nichts“, die zweite Nummer aus Opus 10.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Traumzauber
Sinfoniekonzert in Historischer Stadthalle – Musik 11/24
Kölsche Zeitreise
Niedeckens BAP in der Stadthalle
Fantastische Symphonie
Carl St. Clair in der Historischen Stadthalle – Musik 10/24
Erfolgreiche Nachwuchsarbeit
Jubiläumskonzert der Wuppertaler Kurrende – Musik 07/24
Festkantate und Lobgesang
Jubiläumskonzert der Wuppertaler Kurrende in der Historischen Stadthalle – Musik 06/24
Die Entstehung der Erde
Joseph Haydns „Die Schöpfung“ in der Historischen Stadthalle Wuppertal – Musik 05/24
Vergessene Spielfreude
Elias Brieden Quintett im Loch – Musik 10/24
Zwischen den Tönen
Quartett „Hilde“ auf der Insel – Musik 10/24
Kreative Programme
Der Verein Musik auf dem Cronenberg – Porträt 10/24
Große Vielfalt des Jazz
Programm des 20. Jazzmeetings Wuppertal – Festival 10/24
Abseits des Alltags
Trio Schwengler/Maas/van Meel im Jazzfoyer – Musik 09/24
Musikalische Antworten
Benjamin Schaefer auf der Insel – Musik 09/24
Spannende Experimente
Phillip Dornbuschs Projektor im Loch – Musik 09/24
Improvisationsvergnügen
Das Wolfgang Schmidtke Orchestra in der Immanuelskirche – Musik 09/24
Essen-Werden auf links drehen
Cordovas im JuBB – Musik 09/24
Jenseits von Hörgewohnheiten
Das Fuchsthone Orchestra in der Immanuelskirche – Musik 09/24
Fado-Fusion
Portugiesische Musik mit Sina Nossa in der Bandfabrik – Musik 08/24
Kult im Kulturleben Wuppertals
Der Verein Opensky – Musik 08/24
Melancholie und Beschwingtheit
Sina Nossa in der Bandfabrik – Musik 08/24
Ferne Welten
Das Transorient Orchestra im Skulpturenpark Waldfrieden – Musik 08/24
Vielfalt, Frieden und Respekt
3. Ausgabe von Shalom-Musik.Koeln – Musik 07/24
Musikalische Feier
Markus Stockhausen Group im Skulpturenpark Waldfrieden – Musik 07/24
Sieben Komponistinnen
Liederabend in der Kirche am Kolk – Musik 07/24