Im kleinen Studio Dortmund beginnt der Himmel oder sagen wir besser ein Ort, den sich Bürokraten der Welt immer so als Paradies vorgestellt haben. Ordnung muss schließlich wohl auch dort sein. Wo kämen wir sonst hin ohne passendes Formular? In die Hölle? Die winzige Bühne reicht Regisseurin Azeret Koua aus, um Jean-Paul Sartres Spiel mit der zweiten Chance zu inszenieren. Die beiden Protagonisten in seinem Drehbuch „Das Spiel ist aus“ von 1943 sind ermordet worden und landen an der Kasse einer kleinen nicht gerade existenzialistischen Autoscooterhalle. Der Revolutionär Pierre (Adi Hrustemovic) und Eve (Sarah Yawa Quarshie), die Gattin seines Widersachers, müssen erst den Tod akzeptieren um sich dann trotz ihrer diametralen Lebenssituationen – ist ja auf dem Rummel auch niemand anderes da – näher zu kommen. Um sie herum wirbeln noch zwei Geister (Antje Prust und Raphael Westermeier), die kommentieren, analysieren und boshaft manche Qual auskosten, schließlich sind Eve und Pierre nach erzwungenen Unterschriften unter diverse Dokumente richtig tot. Blöd. Aber! Erst mal kriegen sie von den paffenden, aufgekratzten Geistern in kleinen witzigen Szenen vorgespielt, warum und weshalb sie beide aus niederen Beweggründen ermordet wurden.
Nach dem Schock erst mal ein bisschen Autoscooter fahren und Zitate neudeutschen Liedguts erfahren. Auch wenn man tot ist, geht es eben hinterm Horizont weiter und leichtsinniges Flüstern eines gewissen (auch schon im Totenreich) George Michael romantisiert mal die Szenerie. Koua schafft mit ihrer flippigen Regie auf der Bühne viel Bewegung, fast artistische Choreografien, stille Momente und – und das ist selten geworden – dauerhaftes Vergnügen im Zuschauerraum. Das Kassenhäuschen ist wandelbar, die beiden (etwas Antichrist-) Geister sind es auch. Aber auch für sie gibt es im Bürokratenhimmel Regeln. Nicht nur dass es plötzlich Auswege aus dem Totenreich gibt, wo alle Gestorbenen eigentlich frei sind, und gehen können wohin sie wollen, (nur eben nicht dorthin!) nervt die Behörde und die hat bei Sartre als Fragestellung einen romantischen Fehler gemacht. Die beiden haben auch einen verkehrten Lebenslauf. Revoluzzer und Dame der Gesellschaft waren füreinander bestimmt. Da ist offensichtlich was schiefgelaufen, denn die beiden bemerken ihre Gefühle sofort im Warteraum zum Totenreich, erhalten eine zweite Chance, sofortige Auferstehung und die Auflage ihre Liebe in 24 Stunden zu besiegeln, ansonsten ist wieder Autoscooter angesagt.
Werden die beiden in ihren alten Lebenswelten dem ollen Determinismus entkommen können, oder sind Verantwortungsbewusstsein gegenüber einer untergebenen Gruppe Mitmenschen oder gefährdeter Familienmitglieder stärker als „the power of love, a force from above“? Eve und Pierre geben alles und sich auch Mühe, doch die Verhältnisse, die sind nicht so (fast ein Zitat) und die Sachzwänge blockieren die Liebe.Nixist mitPleasuredome, ab in die Autoscooterhalle: Total Eclipse of a heart.Black. Ein herrlich überdrehter, entphilosophierter Sartre-Abend, jede Anreise wert.
Das Spiel ist aus | R: Azeret Koua | 15.2. (P), 11.3., weitere Termine folgen | Schauspielhaus Dortmund (Studio) | 0231 50 27 222
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