 
					Joanna Newsom meint es ernst: Sie will das Erbe von Joni Mitchell antreten. Nicht nur das Format ihres Triple-Albums „Have one on me“ mit 18 Stücken zwischen fünf und zehn Minuten erinnert an die 70er Jahre. Musikalisch nimmt sie die Exaltiertheit ihres Vorgängers „Ys“ etwas zurück und wirkt geerdeter. Das ist mitnichten weniger spannend, sondern macht die außergewöhnlichen Songschreiberqualitäten der Harfenistin deutlich (Drag City). Zwar hatte schon „American V“ seine letzte Platte sein sollen, aber Produzent Rick Rubin hat für „American VI“ noch zehn Stücke von nur 30 Minuten Gesamtlänge zusammengetragen. Der Untertitel „Ain‘t no grave“ wäre nicht nötig gewesen. Durch das Album wird Johnny Cash sicher nicht unsterblich – das war er schon vorher (Universal). Er könnte sein Vermächtnis antreten: Dead Western singt mit tiefer, theatraler Stimme zu seinen akustischen Liedern. Das wirkt erst seltsam, entfaltet aber schnell eine starke Sogkraft. Hier würde der Begriff Gothic Country mal richtig passen (Discorporate). Tief in den 70ern und 80ern steckt Mantler. Auf „Monody“ klingt er mit seinem Orgelspiel und Gesang sehr laid back, vermengt Soul und Jazz mit Pop. In den besten Momenten erinnert er an Prefab Sprout oder Robert Wyatt (Tomlab). Den starken Frauen widmet sich die Compilation „Head over High Heels“. Emanzipierte Frauen, die zugleich sexy und komisch sein konnten, haben vor dem Backlash der späten 50er Jahre die Kinos und Konzertsäle verzaubert. Die Stücke von Ginger Rogers, Marilyn Monroe, den Andrew Sisters, Mae West, Billie Holiday, Josephine Baker, Rita Hayworth oder Marlene Dietrich klingen auch heute noch frisch (Trikont). Nach ihrer Compilation veröffentlicht Strut auch das neue Album von Mulatu Astatke. Die äthiopische Legende des Ethio-Jazz begeistert auf „Steps Ahead“ mit zehn weiteren Fusionen von Jazz, Latin und äthiopischen Melodien, seinen Gesang stellt er hier indes sehr in den Hintergrund (Strut). Das Schweizer Jazz-Trio Rusconi widmet seine CD „It‘s a sonic Live“ der Noise Rock-Ikone Sonic Youth. Bei den schnellen Stücken gelingen die Coverversionen, bei den langsamen klingt es aber ebenso oft bieder. Den besonderen Soundaspekt von Sonic Youth vermag das Pianotrio nur selten adäquat umzusetzen (Sony). Das deutsch-britisch-israelische Trio Jahcoozi verbindet auf „Barefoot Wanderer“ Grime, Dub, Ragga und die Lust an grob gehauenen Breakbeats. Dazu laden sie sich viele Gäste ein. Und zwischendurch covern sie auch noch The Cure (Bpitch Control). Cobbleston Jazz, das inzwischen zum Quartett gewachsene Trio um Mathew Jonson, lässt seine Tracks in Live-Sessions entstehen. Dementsprechend mitreißend ist ihr sich langsam aufbauender und dann eingroovender Techhouse (!K7). Mit ihrem zehnten Album „Oversteps“ klingen Autechre wieder harmonischer, beinahe klassizistisch. Natürlich gibt es wieder rhythmischen Steinbruch, aber dazwischen schleichen sich allerschönste Sounds und Melodien ein, fast pastoral. Auch wenn das Urteil langweilig erscheint: wieder ein großartiges Album (Warp). Das Ensemble Zeitkratzer, das in diesem Monat auch auf der MusikTriennale (s.S.66) zu hören sein wird, startet mit „Old School“ eine neue Reihe: Drei Stücke von James Tenney faszinieren durch ihr reines Modulationsspiel, das die auf- und abschwellenden Sounds zum Flirren bringt. Die drei Stücke aus John Cages Spätwerk klingen geräuschhaft, stellenweise fast nach Industrial. Sehr spannende Interpretationen und ein tolles Artwork der zwei CDs (Zeitkratzer).
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