„He stole my heart“ schreibt jemand unter das Video zur neuen Single „Jogging“ von Richard Dawson. Tatsächlich möchte man den rundlichen Folk-Sänger aus Mittelengland danach herzen. Er singt von Angstzuständen und den hässlichen Kleinigkeiten im Alltag, und wie ihn das Joggen davon befreit. Dawsons Prog-Folk kann dabei auch mal Metal-Riff mit 80‘s-Keyboards und einem hymnischen Kopfstimmen-Refrain kombinieren. Das Etikett Captain Beefheart hängt ihm auch an, wird Dawsons Stilmix und Tragikomik aber nicht ganz gerecht. Das zugehörige Album „2020“ – vielleicht das beste Album in 2019? (Domino). Oder doch Nick Caves „Ghosteen“? Die einen nennen es Kitsch, die anderen berührende Seelenkur. „Ghosteen“ klingt wie der lichte Bruder seines Traueralbums „Skeleton Tree“ aus dem Jahr 2016, das in Wahrheit aber schon vor dem Tod von Caves Sohn Arthur entstand. Mit Synthieschlieren, Spoken Word und Chorälen geht Cave mit Co-Komponist Warren Ellis in ambiente Sphären, an die man sich erst mal gewöhnen muss. Aber Brian Eno ist nicht allzu weit von dieser Klangwelt, in der Musik tatsächlich Trost spenden kann (Bad Seeds). Die gleiche Generation ist Michael Gira von den Swans, und auch der landet mit „Leaving Meaning“ – ebenso wie „Ghosteen“ ein Doppelalbum –bisweilen wieder bei seinen folkigen und ambienten Momenten der 90er Jahre und bedient damit nach den letzten Noisealben auch wieder eher seine darke Fangemeinde mit gothischem Pathos, wie man sie beispielsweise auch von den Virgin Prunes kannte. Durchaus schön ... (Young God).
Nichts gegen die Swans, aber wirklich düster ist „Particle/Matter-Wave/Energy“ von dem Kölner Komponisten Marcus Schmickler, ein Stück, dass die Kollision zweier Galaxien klanglich erfahrbar machen will. Ein schwarzer Brocken auf dem Cover und Black Metal-Lettering verbreiten zusätzlich frostige Stimmung (Kompakt). Ganz anders, aber nicht minder extrem: 1978 nahm der Franzose Bernard Treton in Kinshasa Stücke der vier Bands Konono No 1, Orchestre Bambala, Orchestre Bana Luya und Sankayi auf, die ihre traditionelle Musik für die Großstadt elektrifiziert hatten, aber nicht weichzeichneten. Nun erscheint bislang unveröffentlichtes Material, auf einer zweiten CD gibt es Remixe von Martin Meissonnier (Crammed Disc).
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