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Bombardieren oder bloß beobachten: Die Ministerin hat den Durchblick
Foto: Michael Brischke

Kein Schülerstreich, kein Welpenschutz

12. Dezember 2016

„Wir schaffen das – WILLKOMMEN ab“ – „Kabarettungsdienst“ mit Jubiläumsprogramm

Man muss die Truppe schon „feste Größe“ nennen, wenn das Wort Dinge meint wie: Bekannt, profiliert, kontinuierlich aktiv. Nun hätte Etabliert-Sein anderswo auch etwas Zweischneidiges, aber im Fall des „Kabarettungsdienstes“ taugt es in der Tat zum Lob: Als Einrichtung einer Schule, des heutigen Johannes-Rau-Gymnasiums, wechseln die Spieler mit dem Abitur alle paar Jahre ganz automatisch – für Institutionen ist das doch sehr unüblich.

„Wir schaffen das – WILLKOMMEN ab“ ist das bereits 25. Programm, das derzeit noch bis Februar an verschiedenen Orten gespielt wird, z.B. an diesem Freitag, 9.12., in der Färberei. Und auch wer den Kabarettungsdienst trotz also reichlicher Gelegenheit bisher immer verpasst hat, mag doch den Namen kennen. Michael Brischke, Gründer und Leiter der Truppe, gibt das Spiel in die Hände seiner Akteure. Hilfe beim Texten liefert er nach Bedarf. Als der Lehrer für Religion, Sport und Literatur im Jahr 1993 an das Barmer Gymnasium kam, hatte er schon gut zehn Jahre Schülerkabarett im Gepäck, von seiner „Putzkolonne“ am Kothen – und so etwas wollte die Schulleitung der damaligen „Siegesstraße“ auch.

Der heutige Titel mit der cleveren Abwandlung des Merkel-Zitats gibt den Rahmen für ein Programm aus Einzelnummern. Rund die Hälfte ist Themen gewidmet, die direkt zu tun haben mit dieser Ermutigung zur Flüchtlingslage – vielgehasst inzwischen und auch konterkariert. Die Szene „AfD und Pegida feiern ihre Überlebensretter“ gehört dazu: Sie vertritt die klare These, dass Übergriffe den Rechten ebenso nützen wie deren mediale Aufbereitung. Frauke Petry bedankt sich da strahlend bei der auf einmal „geliebten Lügenpresse“, und im Saal geht der Spot auf dort stehende „Bürger“ mit schrägen Sorgen: „Ich will Weihnachten nicht in der Moschee feiern.“ Gleich der Einstieg widmet sich mit schönem Gespür für Bühnenkomik dem Aspekt der Bundeswehr-Beteiligung in Syrien: Ministerin von der Leyen gebietet, scharf zu unterscheiden zwischen militärischen Einsätzen und solchen als bloßer „Beobachter“ – bis ihre Soldaten es begriffen haben: Für letztere Funktion hält beim drolligen Jet-Spielen halt nur der eine Arm als Flugzeugflügel her – die andere Hand rollt sich zum Fernglas. Das muss man nicht bis ins Letzte hinterfragen – komisch ist es allerwenigstens.

Andere Themen kommen hinzu: Sexy-Sucht im „Heidiland“, mit einer schrecklich-schönen Kim Kardashian umringt von ihren Möchtegern-Klonen. Auch ein Glanzstück wie „Mann-TV“ verhandelt zwar allgemein gesellschaftliche Themen, aber der Titel kommt doch zum Zug: Mit dem latent brutalen Lederjackenbürger, dem Schönling und dem tumben Fußballfan ziehen drei stereotype Mannsbilder ihre eigenen Schlüsse aus den Silvester-Übergriffen, und auf einmal scheint ihre selbstverständliche Abgrenzung von „Flüchtlings-Grapschern“ gar nicht mehr so sicher. Ziemlich witzig zudem, wenn ein Fünfzehnjähriger die Szene jovial beginnt mit: „Ich, Ihr Innenminister.“

Denn wahr ist ja: Wer im Publikum dem Teenie-Alter entwachsen ist, und das sind einige, mag zuweilen etwas abstrahieren müssen von der Tatsache, dass diese Kabarettisten sichtlich noch ganz schön junge Hüpfer sind. Mag man sich von denen etwas sagen lassen, Urteile vorsetzen gar, zum Nachdenken bringen? Beim „Kabarettungsdienst“, das zeigt sich schnell, trifft sich immer wieder Spaß am Theater mit ernsthaft politischem Bewusstsein.

Klar, dass das nicht jedem gefällt: Ein Programm wie das heutige zeigt klare Kante, scheut sich nicht vor Feindbildern von Militär bis Pharmaindustrie und erlaubt sich sogar Parteilichkeit im engeren Sinne, wenn etwa einsame Kämpfer für das Gute explizit als Grüne oder Linke zu erkennen sind. Verführerisch wäre eigentlich, sich da zurückzuziehen hinter einem Label „Schülerkabarett“, das ja zum Herunterspielen eigentlich bereit läge. Doch Michael Brischke zeigt sich als freundlicher Überzeugungstäter: Wenn er am Rande des Auftritts betont, viele Besucher seien als Kabarettpublikum hier, nicht bloß begleitende Eltern, scheint das so gesehen nicht unriskant. Kein Wunder, dass eine Truppe sich nicht nur Freunde macht, wenn sie sendungsbewusst zu Felde zieht statt statt als „Schüler“ mit Welpenschutz. Aber seit wann ist das die Aufgabe von Kabarett.

Nächster Termin: Di 13.12., 19.30, Theater im Engelsgarten. Weitere Termine im Januar und Februar: www.kabarettungsdienst.de/news-termine

Martin Hagemeyer

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