Der Jazz, der gerade in der freien Wuppertaler Kulturszene beziehungsweise im Foyer des Opernhauses stattfindet, hat weit über die Stadtgrenzen hinaus einen ausgezeichneten Ruf. Den Veranstaltern gelingt es nämlich seit Jahrzehnten regelmäßig, international renommierte Musiker einzuladen, die immer wieder gerne kommen. Eine im städtischen Musikleben fest etablierte Reihe ist der „Friday Night Jazz Club“ in der Bandfabrik. Dieses Mal ist ein Trio angereist, das Jazzfans aus Nah und Fern anlockt, die für ein ausverkauftes Haus sorgen.
Drei große Namen
Selbstredend werden in der Szene die Namen Karolina Strassmayer, Drori Mondlak und David Friedman ehrfurchtsvoll genannt. Strassmayer, seit rund 20 Jahren als erste Frau fest angestelltes Mitglied der WDR Bigband, hat sich in New York einen Ruf erworben, indem sie unter anderem mit Clark Terry (Trompete), Phil Woods (Saxophon) und Ray Anderson (Posaune) zusammenarbeitete. Von dem renommierten US-amerikanischen Jazzmagazin Downbeat wurde sie anno 2004 als „Top Five Alto Saxophonist“ des Jahres gekürt. Vor Mondlak ziehen wohl viele Schlagzeuger den Hut. Sein Umgang mit dem Drumset hat große Kreise gezogen und führte zu Auftritten mit berühmten Saxophonisten wie Lee Konitz, Tony Lakatos und Chico Freeman. Auch über Friedman viele Worte zu verlieren, hieße Eulen nach Athen tragen, hat er doch mit weltweit berühmtesten Musikern (Joe Henderson, Wayne Shorter oder Ron Carter) wie Komponisten (Leonard Bernstein, Luciano Berio) zusammengearbeitet und einen ganz großen Ruf als Musikpädagoge. Für viele ist der 80-jährige Vibraphonist wohl eine lebende Legende.
Keine einzige aufgeschriebene Note haben die drei Musiker mit im Gepäck. Vielmehr präsentieren sie acht Teile, die aus dem Moment entstehen. Es handelt sich also um eine spezielle Art des freien Jazz. Den Abend beginnt Friedmann alleine mit einem pentatonischen Motiv, das er im weiteren Verlauf kunstfertig variiert. Später setzt das Schlagzeug ein und bringt neue Aspekte. Es beginnt ein Dialog, bis schließlich das Saxophon eine Dreitonfolge hinzufügt und wie eine Coda das Geschehen zu Ende bringt.
Aus dem Moment
Ähnlich verhält es sich mit den anderen Stücken: Einer der drei Musiker stellt eine musikalische Idee in Form eines Motivs, einer kleinen Melodie oder einer rhythmischen Struktur vor. Die beiden Kollegen gehen auf die Vorgabe ein, führen sie zu neuen Horizonten oder setzen mit einer anderen musikalischen Struktur einen Kontrapunkt. Neben langen Solosequenzen finden solche Konversationen im Duo und Trio statt. Ruhige und forsche Momente alternieren. Abgesehen von der letzten Nummer, die im tradierten Jazz-Stil gehalten ist, spielen Tonalitäten keine Rolle. Es geht modal zu bis hin zu eruptiv-garstigen Free-Jazz-Ausbrüchen gerade seitens der Altsaxophonistin. Man unterhält sich also im Verlauf von zwei Stunden inklusive einer Pause höchst intensiv und dicht auf mannigfaltige Art und Weise musikalisch miteinander. Diese spontanen Vorträge hören sich wie fest komponierte Nummern an, die mit einem kongenialen Verständnis füreinander vorgestellt werden. Selten zuvor hat man derart flüssige, stringente freie Improvisationen zu Ohren bekommen, die wie aus einem Guss daherkommen. Chapeau!
Auf den Namen „Speak Your Truth“ ist der spannende, hochkarätige Abend getauft, der sicher einigen Besuchern nachhaltig in Erinnerung bleiben wird. Der nicht enden wollende Schlussapplaus lässt jedenfalls solch einem Schluss zu. Als Dank dafür gibt es als Zugabe doch noch einen Standard: die Ballade „Body And Soul“ aus dem Jahr 1930. Ungemein anrührend-sinnlich, wie ein Lied ohne Worte, kommt das Stück daher. Ergreifend und hochsensibel wird der in diesem Fall fehlende Liedtext rein instrumental zum Ausdruck gebracht. Man fühlt die eigentlich im Original dazugehörenden Worte mitschwingen: „Mein Herz ist traurig und einsam / Ich weine um Dich / Um Dich, Liebes, nur um Dich / Wirklich, das meine ich / Alles von mir gehört Dir / Körper und Seele“.
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